Thomas Mann an Margot Klausner
- Zeitraum
- Donnerstag, 8. Januar 1948
- Datierung
- 8.1.1948
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Dankt für die Einleitung zu ihrem Vortrag über ›Doktor Faustus‹. Beantwortet ihre Fragen bezüglich der Interpretation der Hauptgestalt: Adrian Leverkühn sei wohl eine Symbolgestalt, der nicht nur als Mensch und Künstler für eine charakteristische Art des Deutschtums auftrete, sondern auch als Repräsentant der Situation unserer Kultur, für die Musik nur ein Paradigma sei. Leverkühn sei auch nicht an dem Pakt mit dem Teufel unschuldig, wie sie meine, sondern sein Zug zum Dämonischen werde von Anfang an in der Szene mit der Hetaera Esmeralda sowie an seinem Theologiestudium klargemacht, das mehr ein Interesse an dem Teufel als an Gott zeige. Es sei möglich, dass für jüdische Leser die Betonung des Deutschtums in dem Roman als eine Verklärung dieses Volkstums empfunden werde. In Deutschland selbst, wo das Buch demnächst in Druck geht, könne es ganz andere Empfindungen hervorrufen, nämlich den Vorwurf, dass das Deutschtum verteufelt werde. »Ich will zugeben, daß das Werk an einer gewissen Einseitigkeit in dieser Beziehung leidet, und gebe das lieber zu als den Vorwurf, ich hätte die trüben, dunklen und unglückseligen Seiten des Deutschtums aufs neue der Welt interessant machen wollen.« Kürzlich für Freunde veröffentlichte Tagebuchblätter aus dem Jahre 1933 habe er ›Leiden an Deutschland‹ genannt. Diesen Titel verdiene auch der Roman. Weist K. auf ein Symposion über den Roman in der ›Neuen Zürcher Zeitung‹ hin, an dem sich auch der »geistig hochstehende« Musikreferent der Zeitung, Dr. Willi Schuh, beteiligt habe.