Thomas Mann an Jisawuro Hirata
- Zeitraum
- Dienstag, 28. Dezember 1948
- Datierung
- 28.12.1948 [erst am 2.1.1949 von Sekretariat abgeschrieben und abgesandt]
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Der Brief, den H. im April 1948 in der Zeitschrift ›Kindai Bungaku‹ an ihn gerichtet hatte, war ihm nicht bekannt geworden. Jetzt erreichte ihn die von H. angefertigte deutsche Übersetzung. Selten sei er so von den Worten des Schmerzes, der Anklage und der Reue erschüttert worden, die H. für die Schuld und das Unglück seines Landes empfunden habe. Er habe in der Zeit des tiefsten Falles Deutschlands ähnlich gesprochen, aber die Reue und die Schuldgefühle seien im deutschen Volk nicht so lebendig geworden, wie sie aus H.s Worten sprächen. Zur Ergriffenheit sei bei ihm das Gefühl der Beschämung gekommen, und er sehe in dem Maß der Schuld zwischen Japan und Deutschland bedeutende Unterschiede: Japan habe einen imperialistischen Krieg im politischen Bündnis mit den faschistischen Mächten in Europa geführt; in Deutschland dagegen hätten die Nazis eine Philosophie der Niedertracht und der Unmenschlichkeit verkündet, die das Volk vergiftete und stumpf machte gegen die Massengreuel. Führt als Beispiel das japanische Verhalten beim Tode Roosevelts an: der Ministerpräsident Japans habe den Toten einen großen Führer genannt und dem Lande seine Teilnahme ausgedrückt. H. solle die Einsicht in die Verworfenheit des Krieges nicht nur negativ sehen, sondern sie ins Positive wenden, als obersten Wert den Glauben an den Frieden setzen. In diesem Sinne gehe es um das Schicksal des Menschen, um seine Stellung im All, »seine prekäre Existenz als ein der animalischen Natur zugehöriges und dabei dem Geiste verbundenes, auf ihn verpflichtetes Wesen«. Für die japanische Jugend sei ein verfehltes Kriegsunternehmen noch kein Grund, zu verzweifeln. Sie solle daran mitwirken, »daß es auf Erden heller und besser werde«.
