Thomas Mann an Johannes R. Becher
- Zeitraum
- Samstag, 22. Mai 1954
- Datierung
- 22.5.1954
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Hat sein spontanes Ja [zur Annahme des Nationalpreises der DDR] noch einmal überdacht und trägt B. die Gründe vor, weshalb sein 79. Geburtstag dafür nicht der richtige Zeitpunkt sei. Seit seiner Niederlassung in Kilchberg sei es »politisch« stiller um ihn geworden, das Gekläffe sei verhallt, und er brauche nicht alle paar Wochen seine Arbeit zu unterbrechen, um Beteuerungen, Erklärungen und Dementis abzugeben, was jedesmal seiner Gesundheit schade. Wenn nun diese Ehrung aus einem »an den Haaren herbeigezogenen Anlaß« wie dem 79. Geburtstag vorgenommen werde, wäre das Geschrei in der gesamten Presse des Westens gewaltig, er wäre »gestempelt« und würde in Fragen (»der des Friedens, vor allem«) nicht mehr »ernst« genommen. In fast einem Jahr, zu seinem 80. Geburtstag, sehe alles ganz anders aus: »Der achtzigste aber ›mildert‹ noch den ›bedenklichsten Umstand‹ fast bis zur Aufhebung seiner ›Bedenklichkeit‹.« – Vielleicht werde es dann schon den ›Buddenbrooks‹-Film geben, und der könnte »ein wichtiges Steinchen beisteuern zur kulturellen Brücke zwischen Ost und West«.
