Thomas Mann an Heinrich Mann

Zeitraum
Samstag, 5. Dezember 1903
Datierung
5.12.1903
Empfänger:in
Ort

Zusammenfassung

Berichtet von eigenen Arbeiten: »Ich arbeite mit Ekel und ohne die geringste Genugthuung, ich gebe den Dreck in tiefster Verzweiflung weg, und dann kommen die Briefe, das Geld, die Lobsprüche, die Händedrücke, die ›Verehrung‹. Alle haben Genuß daran, nur ich nicht. Und das ist doch gemein.« Erzählt von seiner Vortragsreise nach Königsberg und von der ersten Begegnung mit Gerhart Hauptmann bei einem Essen im Hause Fischer: »Ich war mir von seiner Persönlichkeit einen solchen Zauber, wie sie thatsächlich ausübt, bei Weitem nicht vermuthend gewesen.« Kommt zum eigentlichen Thema des Briefes, nämlich die Ablehnung von H.s neuem Roman ›Die Jagd nach Liebe‹. Hat H. als eine »vornehme Liebhabernatur ... voller Discretion und Cultur« gesehen. »Und nun, statt dessen? Statt dessen nun diese verrenkten Scherze, diese wüsten, grellen, hektischen, krampfigen Lästerungen der Wahrheit und Menschlichkeit, diese verzweifelten Attacken auf des Lesers Interesse!« Greift die sexuellen Schilderungen des Romans an, bei denen Wedekinds Leidenschaft fehle: »Diese schlaffe Brunst in Permanenz, dieser fortwährende Fleischgeruch ermüden, widern an«; der Roman enthalte zu viel »Schenkel«. Der Titel des Romans solle besser »Die Jagd nach Wirkung« lauten. H.s Besorgnis, hinter ihm »an Leistung zurückzubleiben, wurde zum Ehrgeiz«. Er verübelt es H., dass dieser sein Roman-Projekt ›Die Geliebten‹ in ›Die Göttinnen‹ »in oberflächlicher Weise verwerthet« habe. H. habe auch aus ›Tonio Kröger« die »Gewöhnlichen« als Gegenteil des Künstlers übernommen, er befürchte nun, dass H. »in einem neuen Werk ganz beiläufig und gelegentlich von der ›Königlichen Hoheit‹ des Künstlers« spräche. »Es wäre pedantisch, die Sache dann noch weiter ausführen zu wollen.« Hofft, dass H. ihn nicht missverstehen wird: »Ich bin, weiß Gott, von Geburt kein Pamphletist und muß gelitten haben, um ein paar Seiten zu schreiben, wie auch nur diese hier.«

Erwähnungen

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