Thomas Mann an Samuel Fischer
- Zeitraum
- Samstag, 29. Juli 1933
- Datierung
- 29.7.1933
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
F.s Brief, den seine Cousine ihm gestern überbrachte, habe ihn tief gerührt und ihn mit Dankbarkeit erfüllt für dessen Sorge, Sympathie und Anteilnahme. Er habe es schmerzlich empfunden, dass der Kontakt zwischen ihnen in letzter Zeit abgerissen war. Richtet deshalb diese Zeilen an ihn und dankt zugleich für Bermann Fischers Brief vom 17. Juli; er sei fern von Verstocktheit und unvernünftigem Eigensinn. »Aber es gibt Situationen, die auch einen so konzilianten Menschen wie ich es bin, zum Bekennertum zwingen.« Hat noch gestern Abend den ganzen Komplex [seiner Rückkehr nach Deutschland] mit Käthe Rosenberg durchgesprochen; sie habe schließlich gegen seine Argumente nichts mehr vorbringen können. Was sie alle ihm aus Freundschaft rieten, könne er nicht tun: »um meiner geistigen Ehre willen nicht, aus menschlichen Gründen nicht und schließlich auch nicht aus Gründen meiner physischen Ruhe und Sicherheit«. Auch er habe die schweren Konsequenzen überlegt, wenn er ihrem Rat nicht folge: er werde große Opfer bringen, »aber gerade das wird es mir erleichtern, ihn vor der Welt zu rechtfertigen, was ich, wenn es sein muß, mit gemäßigten aber klaren Worten zu tun gedenke«. Kann F. melden, dass er ganz nach dessen Wunsch wieder vormittags an dem ›Joseph‹ weiterschreibe. – Die Beschäftigung mit dem »als unmöglich befundenen Aufsatz« sei eine überflüssige Unterbrechung gewesen, »und doch auch wohl wieder eine persönliche Notwendigkeit« [›Antwort an Hans Pfitzner‹]. Er würde die notgedrungene Ablehnung dieses Aufsatzes gelassen hinnehmen; er habe Peter Suhrkamp geschrieben. »Das Leben der N. R. war wichtiger.« – Der erste Band des ›Joseph‹ sei ausgedruckt, und er habe die Korrekturen gelesen. Er gefalle ihm besser, als er erwartet hatte, es sei doch viel Originelles und Lustiges darin; vielleicht habe das Publikum jetzt Appetit auf etwas Neues von ihm. – Seine Frau sei hier sehr tapfer in diesem provisorischen Heim, »dem sie energisch und umsichtig vorstehe [...]. Meine Lebenszuversicht beruht in erster Linie auf ihrer Liebe und Treue.«
