Thomas Mann an Victor Wittkowski
- Zeitraum
- Mittwoch, 9. Oktober 1935
- Datierung
- 9.10.1935
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Versteht nur zu gut den Ekel und die Verzweiflung, in die »Menschen Ihres Stammes« durch die Verhältnisse in Deutschland geraten sind. Auch seine Familie ist von den deutschen Untaten betroffen. »Ich habe ja eine Frau zur Seite, die von Blutes wegen unmittelbarer unter diesen Greueln leidet als ich (ich mag kaum zugeben, daß es mir weniger nahe ginge), und Kinder, die von wegen dieses Blutes zu Hause nichts tun noch werden können.« Aber sie haben wenigstens das Glück, »draußen« zu sein und in Freiheit zu atmen. Das gelte auch für W. Er spricht ihm Mut zu, und wenn W. sein Herz ausschütten wolle, so wolle er gern darauf eingehen, so gut er könne. Sein Trost: »Sie lieben die Literatur, den Geist, den Gedanken, – halten Sie trotzig und heiter fest angesichts aller Entartung und Verrohung der Welt an dieser Liebe, diesem Besitz! Stellen Sie Ihren Stolz, Ihren Lebensmut, ja Ihre Heiterkeit wieder her im Umgang mit dem Guten, Hohen, Freien und Menschlichen, was gedacht, gesagt und geformt worden ist auf Erden von Geistern, die alle Leidende waren und deren Leidenstaten nicht aus der Welt kommen trotz der eklen Stupidität heutiger Vordergrundspersonnagen und dessen, was die kläglichsten Umstände ihnen zu tun erlauben.«
