Thomas Mann an Redaktion ›Wiener Sonn- und Montags-Zeitung‹

Zeitraum
Sonntag, 24. November 1935
Datierung
24.11.1935
Empfänger:in
Ort

Zusammenfassung

Arbeitet weiterhin an seinem biblischen Roman. Seine Aufgabe sei es, »meine Zuhörer erfahren zu lassen, wie alles sich ganz genau zugetragen hätte, *wenn* es sich eben zugetragen hätte, und es sich nicht um eine Legende handelte«. In seiner Jugend hätte er nie ein solches Buch schreiben können, das »Legendäre, Mythische, Religiöse« habe ihm damals ferngelegen. Literarisch sei es nicht neu, aus dem ›Joseph‹-Stoff einen Roman zu formen. Der junge Goethe habe bereits an eine biblische Novelle gedacht. Er selbst sei zufällig an den Stoff geraten: Ein Maler habe ihm eine graphische Mappe mit Themen aus der ›Josephs-Geschichte‹ gezeigt; daraufhin habe er eine Erzählung geringen Umfanges konzipiert. Dann sei es wie beim ›Zauberberg‹ gegangen: Aus rationalen Elementen sei so etwas wie eine »Psychologie des Mythos« entstanden, die man wohl als den geistigen »Gehalt« dieser ausgebreiteten Erzählung ansprechen könnte. Der Druck der Wirren und Leiden in den letzten Jahrzehnten habe einen Nährboden für den kommenden dritten Humanismus abgegeben, der wissend durch vieles hindurchgegangen sei, »ein neues tragisch und doch auch heiter vertieftes Pathos für die Geheimnisse des Menschen und seiner Würde«. »Wenn es von meinem Josephroman einmal heißen sollte, er habe mit dieser kommenden Menschlichkeit in geheimer sympathetisch vortastender Fühlung gestanden, so wäre das der höchste und schönste Ehrentitel, den ich für meine Arbeit erhoffen kann.«

Erwähnungen

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