Thomas Mann an Bruno Frank

Zeitraum
Montag, 17. Oktober 1938
Datierung
17.10.1938
Empfänger:in
Ort

Zusammenfassung

Hatte die Absicht, F. einen Brief zu schreiben, »ohne besonderen Grund und Gegenstand, sondern nur so aus Zärtlichkeit«. Nun sei F. ihm mit dem seinen zuvorgekommen. Gibt zu, dass eines seiner Motive für diesen Brief nicht ganz reinen Gewissens sei, ob er sich in Princeton oder Beverly Hills niederlassen soll – eine ähnliche Entscheidung wie 1933 die zwischen Südfrankreich und der Schweiz. – Es sei sehr hübsch hier, das Haus ein Fortschritt gegen alle früheren, die Bücher seien aufgestellt, »und mein Schreibtisch steht wie durch Zauber Stück für Stück genau so da wie in Küsnacht und schon in München. Ich bin zäh und semper idem.« – Analysiert die europäische Situation: Hitler habe diese Jahre hindurch nicht nur vom Bolschewistenschreck, sondern auch von dem moralischen Unbehagen gelebt, das den anderen vom Versailler Vertrag zurückgeblieben sei. »Durch vereinte Widerstandslosigkeit« hätten sie Schritt für Schritt den Sieg abgetreten: »mehr konnten die Sieger von 1918 nicht thun um die Fehler und Dummheiten des Friedens zu sühnen«. Stellt ferner fest, dass die allgemeine Faschistisierung nicht nur negativ zu sehen sei: »Ist der Kontinent faschistisch, so mögen [...] die Vereinigten Staaten von Europa zu stande kommen. Und dann? Dann ist der Faschismus überflüssig, er hebt sich selber auf, und man kann unsere Bücher wieder lesen.« – War von der »ungeheuren Schweinerei« [dem ›Münchner Abkommen‹] einige Tage gemütskrank. Hat sich wieder gefangen mit der Überlegung, dass niemand sich zu schämen brauche, wenn er sich weigere, den Weg, den die ›Geschichte‹ einschlug, mitzugehen. Man befinde sich als der Widerlegte, über dessen Protest »die Geschichte hinwegging«, in ganz guter Gesellschaft. Zitiert Lucanus: »Victis Diis placuit […]« – War mit seiner Frau über das Wochenende bei den »reichen Meyers« in Mount Kisco und fand bei der Rückkehr F.s Brief vor: freut sich über dessen Erfolge beim Film, obwohl die begonnene Erzählung dadurch wieder ins Stocken geraten sei. Hat selbst oft Heimweh nach der Movie-Sphäre, in der er in jenen Wochen »eigentlich geschwelgt habe«. Spricht von seiner eigenen Ablenkung vom »Eigentlichen«, dem Vorwort zu der Ausgabe seiner politischen Essays, das die überholten Sachen »auf die Höhe des Augenblicks« bringen soll. – Erzählt von dem Abschiedsabend im Züricher Schauspielhaus, an dem er das Gespräch zwischen Lotte und August von Goethe vorlas. Alle guten Freunde hätten sich an diesem Abend eingefunden. »Nein, allein und verlassen ist man nicht« und zitiert die Worte aus dem ›Faust‹: »Die Menschheit hat ein fein Gehör […]«

Erwähnungen

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