Thomas Mann an Agnes E. Meyer
- Zeitraum
- Dienstag, 26. Mai 1942
- Datierung
- 26.5.1942
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Geht lobend und kritisch auf ihre Erzählung (›Cricket‹) ein und hofft, sie bald »an ehrenvoller Stelle« gedruckt zu sehen. – War von ihrer Beschreibung des Dinners bei Sumner Wells begeistert. Hält Präsident Roosevelts Stellung für die erste in der Welt; er habe ihr durch seine Persönlichkeit einen neuen Glanz verliehen, den sie seit Jahrzehnten nicht mehr besaß. – Dankt ihr für den Hinweis, dass er in der englischen Übersetzung der Rede ›Von deutscher Republik‹ die Seiten auslasse, mit denen ein amerikanisches Publikum nichts anzufangen wüsste. – Spricht von der Homoerotik, die in der Antike eine staat- und kulturbildende Rolle gespielt habe, die aber heute nur »üble Romantik« wäre. »Daß ich sie für unfruchtbar und ästhetisch todverbunden halte, habe ich in dem Platen-Aufsatz angesprochen; künstlerisch ist nur eine groteske Behandlung dieser Sphäre möglich, wie bei Proust.« – Erika habe in Washington leider Nelson Rockefeller nicht sprechen können, sei aber mit dessen Leuten zu ganz interessanten Ergebnissen gekommen. Will seinen Sekretär noch auf einige Tage nach Washington schicken, um weiteres Material zu beschaffen. »Ich sehe ein, daß die Sache würdig und wichtig ist und will sie gern übernehmen, besonders, da ich das zu Schreibende wohl weitgehend für meine Lecture in der Library werde brauchen können.« Er käme sich etwas albern vor, wenn er dort über den ›Joseph‹ reden wollte, statt »über das Große, Drängende und Einzige«. [Den Vortrag ›The War and the Future‹, der erst im Oktober 1943 in der Library of Congress gehalten wurde, und ›The Theme of the Joseph Novels‹ dagegen im November 1942.] – Seine Gedanken seien mehr bei Charkow und in der Krim als bei seinen »Märchenspielen«, die er sowieso am Schnürchen habe; ist voller Bewunderung für die Russen. Hält Roosevelts Angebot an die Russen [den ›Lend and Lease Act‹] von großer Bedeutung, ebenso die Rede des Vizepräsidenten Wallace, die Bermann Fischer als Broschüre herausgeben will. Wegen der Kümmerlichkeit der kalifornischen Presse wäre die Rede ihm beinahe entgangen, fand sie in extenso in der ›Washington Post‹ abgedruckt und bestellt bei ihr ein Abonnement auf die Zeitung.
