Thomas Mann an Rudolf Jakob Humm
- Zeitraum
- Donnerstag, 24. September 1942
- Datierung
- 24.9.1942
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
H. möge ihm so oft wie möglich schreiben, der Kontakt mit der Schweiz, der einzige mit Europa, sei ihm wichtiger denn je. Alles interessiere ihn, auch Einzelheiten, so wie H.’s Äußerungen über den Psychologen C. G. Jung, der widerwärtig sei, wenn er politisch den Mund aufmache. – Ist mit H.’s scharfer, wertender Trennung »von unerschütterlicher Gestaltung und der Historie verfallenem Denken« nicht einverstanden. Entgegnet, dass auch der Gedanke Gestaltung haben könne, der dem Chaos abgewonnen sei. Schließlich sei auch Dichtung zeitgebunden, nennt den Namen Dante. – Liest aufmerksam H.’s Artikel in der ›Weltwoche‹, bezweifelt aber seinen Glauben »an den deutschen Riesen, der im Grunde schläft und aufstehen wird, um alle Welt durch ungeheuere Kultur-Taten zu beschämen, besonders den flachen Amerikanismus«. Deutschland werde vorerst eine Wüste sein, »gebrochen vor Ausschweifungen, rat- und tatlos«. – Was die deutsche »Tiefe« betrifft, so habe sie einen solchen Verrottungsprozess durchgemacht, dass man ein Menschenalter nicht von ihr reden sollte, wie Goethe den Deutschen verbieten wollte, 30 Jahre das Wort »Gemüt« zu gebrauchen. Das sei ungefähr ein und dasselbe. – Spricht von der Bombardierung Münchens, wobei er hofft, dass nicht die hübschesten Teile der Stadt, »dieser Citadelle der Dummheit«, getroffen würden. Über die Niederlage Hitlers bei Stalingrad, die dieser auf makabre Weise zu beschönigen versuche.
