Thomas Mann an Hermann Kesten
- Zeitraum
- Montag, 12. Oktober 1942
- Datierung
- ohne Datum [Poststempel: 12.10.1942]
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Seine Gedanken gehen immer wieder nach Europa und er fragt sich, wie man es wohl wiedersieht. Ein Aufsatz von Alexander Hertz in ›New Europe‹ hat ihn sehr beeindruckt, der zeigt, dass Hitler seine Sache »durch übertriebene Roheit völlig verdorben hat«. Das Vertrauen in die früheren Regierungen und in die eigene Nationalität und ihre Fähigkeit zur Neuorganisation sei aber überall untergraben. Man möchte die Deutschen los sein, traue aber dem eigenen Staat gar nicht mehr recht. »Jedenfalls wird nachher alles ganz anders sein, und die Exil-Regierungen, ganz besonders aber unsere sozialdemokratischen Schafsköpfe, werden wohl gänzlich bei Seite fallen.« Pessimistische Äußerungen über die Zustände in Europa nach Kriegsende. Man werde sich nicht so bald hinübertrauen. »Und doch, wenn nur l’Infâme ausgetilgt ist, so werden wir freier atmen.« Dies nicht zu erleben, hielte er für ein wirkliches Missgeschick, den Selbstmord Stefan Zweigs habe er nie verstanden. »Ich fühle mich an die untergehende Welt nur sehr teilweise gebunden und könnte in jeder leben, nur nicht unter Hitler.« Wird im November in Washington einen Vortrag halten und legt gerade letzte Hand an den ›Joseph‹: »eine stark gelangweilte Hand«.