Thomas Mann an Paul Hagen (Psd. für Karl Borromäus Frank)
- Zeitraum
- Freitag, 6. August 1943
- Datierung
- 6.8.1943
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
H.’s Brief erhielt er zu dem Zeitpunkt, wo er sich gerade von einer Erklärung deutscher Schriftsteller zurückgezogen hatte, dass man den Schritt des ›Free German Committee‹ in Moskau begrüße, dass man scharf zwischen Nazis und dem deutschen Volk unterscheide und dass nur eine starke deutsche Demokratie den Weltfrieden gewährleiste. Sein Rat war gewesen, eine solche Erklärung ganz unabhängig von der russischen Kundgebung abzugeben, er sei aber überstimmt worden. Zwar habe er an dem Text mitgearbeitet, er habe ihm aber immer weniger gefallen, ebensowenig wie die Zusammenstellung des russischen Komitees, dessen sonderbarer militaristischer Geist ihm nicht geheuer sei. Der TASS habe er auf Anfrage mitgeteilt, die russische Kundgebung betrachte er als ein Gegenstück zur westlichen Aufforderung an die Italiener, sich ihres Kriegsregimes zu entledigen. Verschwiegen habe er seine Ansicht, der patriotische Eifer vieler Kommunisten und Sozialisten gefalle ihm nicht, die sich dafür einsetzten, Deutschland dürfte nichts geschehen. In Wirklichkeit stehe dahinter der Wunsch nach einem starken Deutschland mit einer großen, tüchtigen roten Armee. Er bekenne ganz offen, sich nicht darüber aufzuregen, was diejenigen, »die mit höchster Kraftanstrengung und unter fürchterlichen Opfern der riesenhaften deutschen Anmaßung und Gewaltphantasterei Herr geworden sind«, dem Land zunächst einmal zufügen wollten. Hoffentlich passierten keine irreparable Torheiten, die die Zukunft belasteten. Es widerstrebe ihm als Deutschen aber, den Amerikanern unerbetene Ratschläge zu geben. Er lehnt es ab, sich irgendwie aufzudrängen, als einer von vielen, die einerseits enemy-aliens, andererseits »premature anti-fascists« und gar nicht beliebt seien.
