Thomas Mann an Betty Drury, Committee for the Study of Recent Immigration from Europe, New York
- Zeitraum
- Donnerstag, 22. Februar 1945
- Datierung
- 22.2.1945
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Dankt für D.’s freundliche Zeilen, mit denen sie ihn um Auskunft über die Lage emigrierter europäischer Schriftsteller in den USA bittet. Im allgemeinen sei deren finanzielle Situation nicht leicht, die Kenntnis der englischen Sprache fehle; verschiedene hätten sie schnell gelernt und schrieben in ihr, wie die Verfasser politischer Bücher, z.B. Leopold Schwarzschild und Professor Giuseppe Antonio Borgese. Für Lyriker sei die Lage besonders angespannt, ebenso für Autoren künstlerischer Prosa. Er selbst habe Glück gehabt, dass seine Werke schon vor seiner Einwanderung in Übersetzungen hier bekannt gewesen seien; seither werde jedes Buch von ihm sofort übersetzt. Es gebe aber einige Autoren mit höheren Auflagen, etwa Franz Werfel und Lion Feuchtwanger. Andererseits blieben Schriftsteller von hohem europäischem Rang hier völlig ungehört: Alfred Döblin und sein Bruder Heinrich Mann; aber auch bei diesen gebe es Ausnahmen, wie z.B. Hermann Broch, dessen Stil ziemlich exklusiv sei, der aber einen guten Verleger und einen sehr sorgfältigen Übersetzer gefunden habe, wie sein letzter Roman ›The Death of Virgil‹ beweise.
