Thomas Mann an Grace Evangelical Lutherian Church, Mobile, Alabama

Zeitraum
Mittwoch, 10. April 1946
Datierung
10.4.1946
Empfänger:in
Ort

Zusammenfassung

Antwortet auf die Vorwürfe, er habe in seinem Vortrag ›Deutschland und die Deutschen‹ das Verhältnis Luthers zur damaligen politischen Lage entstellt dargestellt. Es sei natürlich absurd, Luther, den Volksmann, als einen Feind des Volkes hinzustellen. Während der Bauernkriege habe er sich aber in einer sehr unangenehmen Lage befunden. Er, der ursprünglich die Sache des Volkes gegen die der Fürsten gerecht abwog, wandte sich plötzlich in einseitiger Wut gegen die Übergriffe der armen Leute. Luther sei kein sanfter Christ gewesen, sondern ein heißblütiger Mann, der hassen konnte wie der Teufel, der Thomas Münzer mehr haßte als des »Teufels Sau, den Papst«; in ihm und seinen Anhängern sah er die geistige Reformation stärker politisch gefährdet. In seinem Vortrag habe er Luther einen musikliebenden Theologen genannt. Politisch habe er auf dem Boden von Paulus‹ Wort gestanden: »Jedermann sei untertan der Obrigkeit« und damit sich gegen die Bauern gewandt. Seine antipolitische Unterwürfigkeit, das Ergebnis der musikalisch-deutschen Innerlichkeit und Unweltlichkeit, sei nicht nur für die jahrhundertealte knechtische Haltung der Deutschen zu ihren Fürsten verantwortlich, sie habe zum Teil auch den deutschen Dualismus von kühner Spekulation einerseits und politischer Unreife auf der anderen Seite genährt. Das seien seine Worte gewesen. Er behaupte nicht, dass sie *die* Wahrheit seien, aber es liege in ihnen etwas Wahrheit.

Erwähnungen

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