Thomas Mann an Otto Grautoff
- Zeitraum
- Dienstag, 25. Oktober 1898
- Datierung
- 25.10.1898
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
G. hat sich in Dresden im Buchhandel eingelebt, beschäftigt sich mit einem Spezialgebiet, dem künstlerischen Plakat. Fragt ihn, ob er nicht nach München übersiedeln wolle. Hat seine »theure Bourgeois- und Banquierwohnung« aufgegeben, in Schwabing zwei Zimmer gemietet und sie mit eigenen Möbeln eingerichtet. Seine Mutter wohnt in der Nähe, so dass er zu den Mahlzeiten nur einen kurzen Weg hat. Fährt viel »mit dem Velociped« spazieren, liest allerhand und arbeitet an den ›Buddenbrooks‹, mit denen er immer neue Schwierigkeiten hat, da historische Studien notwendig sind. Hat für einen neuen Novellenband schon zwei Stücke fertig. Im Familienkreis wird »der wundervolle alte Fontane« vorgelesen: »... so ist es nicht unwichtig, daß ich mich in letzter Zeit recht gut, ziemlich gut befinde.« Hat auf seinem Schreibtisch »neben dem Träumer Iwan Sergejewitsch Turgenjew noch immer wie zur Zeit, als Doktor Bäthge [!] mich zu erziehen versuchte, [den] Napoléon (übrigens neugerahmt)« aufgestellt. Zitiert Verse von Platen, die seinen jetzigen Zustand wiedergeben. Sah neulich »eine außerordentlich imposante Darstellung des ›Wallenstein‹ (Lager und Piccolomini)« und wird heute Abend Gounod’s ›Margarethe‹ hören, »eine von den zwei oder drei Opern alten Stiles, die ich noch ertragen kann«.
