Thomas Mann an Adele Gerhard
- Zeitraum
- Sonntag, 12. Januar 1947
- Datierung
- 12.1.1947
- Empfänger:in
- Ort
Zusammenfassung
Erwidert Neujahrsgrüße. Allzu erquickend werde das Jahr 1947 in öffentlichen Dingen wohl nicht werden! »Übel genug sieht es aus in der Welt, aber wann hat es das eigentlich nicht getan? Die Menschheit ist eine zähe Katze, und wird, denke ich, noch manches Jahrtausend auf Erden ihr so überaus gemischtes Wesen treiben, auch wenn sie sich beim sträflichen Herumfummeln mit den kosmischen Kräften nächstens einmal bös die Finger verbrennt. Im Ganzen glaube ich, dass sie, trotz allem, was dagegen zu sprechen scheint, letzthin ein gutes Stück vorwärts gestoßen worden ist auf ihrem Weg zur sozialen Reife. Das wird sich noch zeigen, und auch unsere Deutschen werden es schließlich einsehen und auf ihre nihilistischen Träume verzichten.« Im übrigen sei immer das Individuelle die Hauptsache und setze sich charaktermäßig durch gegen die äußeren Umstände. Er, z.B., übe sich jetzt in Beharrlichkeit, um ein Roman-Monstrum zu Rande zu bringen, das er im Mai 1943 begann. »Stehe nun aber wirklich im vorletzten Kapitel. Wie blind ist man schließlich gegen den Wert oder Unwert eines solchen Werkes! Ein fatalistisches Fertigmachen ist alles, was bleibt, und dann möge das Ding sehen, was aus ihm wird in der Welt.«
