Thomas Mann an Heinrich Mann
Freitag, 2. November 1900Berichtet über seinen Gesundheitszustand, der sich nicht gebessert habe; er hoffe, bis Weihnachten aus dem Wehrdienst entlassen zu werden. – Es stimmt ihn wehmütig, wenn sein Bruder über sein Verhältnis zum Publikum und zum Erfolg schreibt, dass der Durchschnittsleser den Hauptreiz bei der Lektüre des ›Schlaraffenlands‹ im Erotischen statt im Satirischen und Sozialkritischen findet. – Für ihn begännen die Hauptsorgen mit den ›Buddenbrooks‹ erst jetzt. S. Fischer schlägt vor, nachdem er die erste Hälfte gelesen habe, das Buch auf die Hälfte zusammenzustreichen. »Über dieses Bubenstück von einer Zumuthung« sei Fischer selbst erschrocken, dass er es »ungeheuerlich nennt und beinahe um Verzeihung bittet«. Der Roman habe über 1000 Seiten, müsse in zwei Bänden erscheinen, würde 8 bis 10 Mark kosten und sei damit unverkäuflich. Er klammere sich daran, dass der Roman so erscheine, wie er ist, denn abgesehen von künstlerischen Gründen habe er einfach die Kraft nicht mehr, noch einmal die Feder daranzusetzen. »In meinem ausführlichen Antwortschreiben an Fischer habe ich mich auch entschieden geweigert, das Buch zusammenzustreichen, mich aber im Übrigen sehr nachgiebig und resigniert gezeigt. Ich bin, wie die Dinge liegen, bereit, jeden Contract zu unterschreiben, der auch nur den Anschein wahrt, alsob ich die Arbeit dreier Jahre nicht verschenkte. Er soll einen componieren, der ihn einigermaßen sicher stellt, der die Honorierung beschränkt, bedingt, verschiebt, der z.B. bestimmt, daß mir ein eventueller Verlust seinerseits von späteren Honoraren abgezogen werden soll. Aber er soll das Buch bringen, wie es ist. Zwischen langwierig und langweilig ist doch noch ein Unterschied!« Und dann habe er ihm gesagt, dass der Roman ja keineswegs das letzte Buch sei, das er ihm geben werde, und dass schließlich Alles darauf ankomme, ob er – auch als Kaufmann – ein bisschen an sein Talent glaube. Nun müsse er abwarten, was Fischer schreibt, wenn er den ganzen Roman gelesen hat. Es sei »schwierig, schwierig« und hindere ihn am Schreiben. – Einigt sich mit seinem Bruder darüber, dass ihnen die Mutter Fünftel-Teile der Zinsen auszahlen solle und nicht Sechstel.