Thomas Mann an Otto Grautoff
- Period
- Sunday, February 2nd, 1896
- Date
- 2.2.1896
- Recipient
- Place
Summary
Ist an einer »Wurzelhautentzündung allerschlimmster Art« erkrankt. Dankt für G.’s »allzu höfliche Meinung« über seine Novellen, die er ihm übersandt hatte [s. Brief an Otto Grautoff vom 17.1.1896 / Reg.96/1]. Urteilt um so schärfer über G.’s Arbeiten, denen die Einfälle fehlten. »Für alle diese gräßlich tiefen Nachtspaziergangsgedanken hättest Du doch eigentlich Dein Tagebuch [...]« Es fehle G. als Novellisten noch alles, vor allem die Erfindung der Fabel. Führt als Beispiel seine eigene mit 19 Jahren geschriebene Novelle ›Gefallen‹ an: »Darin ging doch wenigstens etwas vor, darin war doch wenigstens etwas Handlung, Bewegung, Dialog, Gesten, Höhepunkt, Schluß, – was alles nicht ausschloß, daß auch ein wenig Stimmung und Psychologie darin war [...]« Möchte sich über alle in G.’s Briefen aufgeworfenen Fragen mit ihm unterhalten, kann ihn aber nicht auf mehrere Tage in München verköstigen, dazu reichten seine Privatmittel nicht. Er würde ihn am liebsten »als wohlbestallten Buchhändler« in München sehen, wenn er im nächsten Jahr aus Italien zurückkommt. – Will morgen dem Verleger Albert Langen einen Besuch machen. »Ich muß ihn mir warmhalten; er soll später meinen Novellenband verlegen.« Die Novelle ›Der Wille zum Glück‹ ist für den ›Simplicissimus‹ angenommen, obwohl sie nach Langens Meinung für diese Zeitschrift zu lang sei.